Ich wurde gefragt, ob ich nicht am Samstag mit nach Hebron fahren wolle. Na klar komme ich mit. Dachte ich. Bis mich Sonja (die sich ja schon im letzten Post so herzallerliebst um mich gekümmert hat) darauf hinwies, dass mein Visum momentan keine Ausreise gestatte, ich also besser meine vier Buchstaben in Kernisrael belassen solle. Hier also die Begründung:
Es war vor einigen Wochen, da sind Flo und ich zusammen nach Nablus gefahren. Eine zumeist unkomplizierte Tagesreise. Dort angekommen sind wir über den Markt geschlendert, haben den Berg Gerizim erklommen, uns eine türkische Sauna in der Altstadt gegönnt, am Ort der Herkunft "Knafeh" verkostet, eine arabische Süßigkeit, und... ja, jetzt kommt der miese Teil der Geschichte.
Um nach Jerusalem zurückzukehren, mussten wir durch den Checkpoint Qalandia. Der war glücklicherweise nicht so voll, so dass wir gleich entlang der dafür vorgesehenen Käfigführung bis ins Gebäudeinnere zu den Drehtoren kamen. Dort wartet man dann nochmal, bis man selbst dran ist, und kann solange zuschauen, wie sich die Vorgänger so machen. Als jemand mit bordeaux-roter Eintrittskarte hat man eh keine großartigen Probleme zu erwarten. Aber dem war diesmal nicht so. Denn der hinter 5cm dickem Plexiglas sitzende israelische Soldat winkte mich, als ich ihm meinen Reisepass zeigte, im letzten Moment zurück, weil er mein Visum nochmal sehen wollte. Mein bereits in Berlin ausgestelltes Studentenvisum wies eine einjährige Gültigkeitsdauer auf, und war dazu geschmückt mit einem Ein- und Ausreisestempel in den Sinai vom Ausflug im August. Und irgendwas missfiel ihm daran. Er bat mich also, doch mal eben "zu ihm rumzukommen". Also jetzt, sofort. Gesagt, getan. In unmittelbarer Entfernung war auf der Seite der Soldatenbüros eine dicke, schwere Metalltür - genau so bordeaux-rot wie mein Reisepass und genau so bordeaux-rot wie mein Gesicht, wenn ich mich richtig aufrege.
Hinter dieser Tür befand sich in zwei Metern Entfernung noch eine Tür - die... jedoch abgeschlossen war. In dem Moment, in dem du merkst, dass du jetzt in der Falle sitzt, weil sich die erste Tür bereits geschlossen hat, was machst du? Ich fand es, um es auf den Punkt zu bringen, einfach nur entwürdigend. Was dann weiter passierte, war, dass man mir sagte, mein Visum sei nicht in Ordnung, man werde es klären, und mich in 10 Minuten gehen lassen (Müsst ihr mich dazu einsperren?). In der Zwischenzeit sah ich also durch ein Plexiglasfenster in den Büroraum der Soldaten. Die Soldaten haben mich mehrere Male gebeten mich hinzusetzen, und hätte ich das gemacht, so wäre ich aus ihrem Blickfeld verschwunden. Nee, den Gefallen tu ich euch nicht!
Mittlerweile waren zwanzig Minuten, einige Telefonate und Bekundungen rum, mich ja gleich gehen zu lassen. In der Zwischenzeit hörte ich also trotz Plexiglas ihren Gesprächen zu. Die sich darum drehten, dass die Zigaretten langsam zur Neige gingen. Und an den Sicherheitsautomaten auf ihren Tischen spielten sie herum wie an Spielkonsolen. Dazu das rein äußerliche Erscheinungsbild "meines" Soldaten, das es mir nicht gerade einfach machte, ihn gern zu haben: Hose auf halbacht, fett, unrasiert und Baseballcap. Nicht, dass ich anderen vorzuschreiben hätte, wie sie rumlaufen sollen, oder dass ich nicht selbst mal im Gammel-Look auftauche. Aber ich wollte, dass man sich um mich kümmert, mir zumindest keine falschen Auskünfte gibt, sondern dass man die Sache so schnell wie möglich beenden kann, und ich hier raus kann. Die Gefühle, die ich in meiner Sicherheitszelle so hatte, waren nach knapp vierzig Minuten auf einer Stufe, in der man nur einen Funken braucht, um loszugehen. Allerdings kam dieser Funken nicht. Unter den Bewohnern des Westjordanlands soll es ja auch professionelle Funkenschläger geben, die heißen dann Hassprediger oder so. Allerdings wäre ein solcher jetzt schwer zu mir durchgekommen.
Anstattdessen hatte ich glücklicherweise mein Handy in der Zelle, wodurch ich indirekt das deutsche Generalkonsulat in Ramallah an der Strippe hatte. Die bereits mit dem Checkpoint in Kontakt waren, und wie sich später herausstellte, ein allzu strenges Vorgehen vielleicht verhinderten. Was simplerweise gehießen hätte, "Visum ungültig - der Polizei übergeben - zum Flughafen - Abflug!"
Aber irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, es war eigentlich nur eine Stunde - ich hatte versucht, mich zu beruhigen, indem ich alte Quittungen und Papierkram aus meinem Portemonnaie raussortierte, irgendwann ging also die Tür auf. Dort draußen wartete dann Flo. Mit dem ich zwischendurch schonmal Worte gewechselt hatte. Die Zelle war nämlich durchaus stabil und sicher, aber nicht wirklich schalldicht.
Der Soldat entließ mich mit den Worten, ich solle schleunigst zum Innenministerium gehen, da mein Visum abgelaufen sei. Ob man wirklich kurz davor gewesen war, mich auszuweisen, weiß ich nicht. Ich kann mir gut denken, dass der indirekte Draht zum Generalkonsulat mein Glück war. Wie auch immer, ich war draußen, und auf dem Weg zum Anschlussbus nach Jerusalem. Als ich dem Busfahrer mein Ticket zeigte, was ich zuvor in Ramallah gelöst hatte, schaute er mich fragend an: "Das war vor zwei Stunden gültig?!" Aber er verstand dann recht schnell, womit ich die zwei Stunden zugebracht hatte. Ich bin ja schließlich kein Einzelfall.
P.S. Eigentlich wollte ich einen der nächsten Posts auf Hebräisch schreiben (was dann demnächst geschieht). Das Thema ist für Israelis allerdings eher uninteressant, weil schlicht "Nomalität". So gut wie jeder hat drei Jahre Militärdienst hinter sich. Und da macht man nicht nur Grundausbildung, sondern man arbeitet bspw. mit 20 Jahren am Checkpoint. Und zweitens, spricht es doch eher den Typus Mensch an, der gewohnt ist, für seinen Fla in die Niederlande, für seinen Käse nach Frankreich und für nen Bier nach Tschechien zu fahren, weil die Grenzen offen sind und die Welt ihm gehört.